Krankheitsverständnis und Gesundheitsbegriff

KRANKHEITSVERSTÄNDNIS UND GESUNDHEITSBEGRIFF IN DER SYSTEMISCHEN THERAPIE

In der systemischen Therapie wird Krankheit wird nicht als persönliches Merkmal angesehen, das ein Mensch hat („ich habe ein Magengeschwür“), und es erfolgt keine Reduktion der Person auf eine dominierende Eigenschaft („ich bin ein Angstneurotiker“). Es werden Symptome und das leidhafte Empfinden der Beteiligten „als Teil einer größeren, je nach Perspektive als störend oder auch gestört erlebten Interaktion angesehen, an der eine oder mehrere Personen so sehr leiden, dass ihnen Krankheitswert zugeschrieben wird.“ Dabei können sich Symptome auf der körperlichen Ebene im biologischen System, auf der psychischen Ebene in Gedanken und Gefühlen und in der sozialen Ebene in der Kommunikation zeigen. Krankheiten sind auch „Ergebnisse gesellschaftlicher Entscheidungen darüber, was als krank angesehen werden soll“.

dreamsIn der systemischen Therapie definiert der Klient seine Behandlungsbedürftigkeit selbst und vereinbart zu Beginn der Behandlung das Therapieziel mit dem Therapeuten. Der Therapeut berücksichtigt die individuelle Lebensgestaltung des Klienten, steht seinen persönlichen Vorstellungen offen gegenüber und respektiert seine Grenzen, da der Klient Experte für seine Ziele und sein Leben ist. In der Therapie herrscht eine ressourcenorientierte Grundhaltung, weshalb der allgemeine seelische Gesundheitsaufbau als wirksamste Krankheitstherapie im Vordergrund steht. Als die vier wesentlichen Bedingungen seelischer Gesundheit gelten das Vorhandensein eines persönlichen Lebenssinns und eines sozialen Netzwerks sowie des Gefühls von Lebenskontrolle und der Nachvollziehbarkeit eines Großteils von persönlichen Lebenserfahrungen und Lebensereignissen. Als Ressourcen gelten alle Potentiale eines Individuums, die ihm zur Gestaltung des Lebens und seiner Identität zur Verfügung stehen wie beispielsweise persönliche Kompetenzen, Werte, Lebenserfahrung, Bezugspersonen und Netzwerke, Hoffnungen oder selbstwertfördernde Tätigkeiten. „Gesundheit ebenso wie gelungene Lebensführung als Normvorstellung gibt es nicht“, die Erzeugung von Gesundheit wird als dynamischer Prozess gesehen.

Quellen:
J.Schweitzer / A. von Schlippe: Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung II. Das störungsspezifische Wissen
G. Schiepek: Die Grundlagen systemischer Therapie