Systemische Grundannahmen

SYSTEMISCHE GRUNDANNAHMEN

Konstruktivismus, Kommunikationstheorie, Systemtheorie und Autopoiese

Zu den wesentlichen theoretischen Grundlagen der systemischen Psychotherapie zählen die Kommunikationstheorie, die Systemtheorie sowie der Konstruktivismus. Systemiker glauben an eine durch den jeweiligen Beobachter konstruierte Wirklichkeit – das bedeutet Probleme, Symptome oder auffälliges Verhalten existieren nicht per se, sondern jeder Mensch konstruiert seine eigene Wirklichkeit indem er Situationen oder Handlungen innerhalb weniger Sekunden durch seine Wahrnehmung gefiltert beschreibt, bewertet und erklärt. Demzufolge betrachtet jeder Mensch seine Welt als Beobachter aus seinem eigenen persönlichen Blickwinkel, nimmt bestimmte Dinge oder Details entsprechend den Erfahrungen, Vorlieben und Bedürfnissen mehr oder weniger wahr und schafft sich so seine Realität. Einen anschaulichen Vergleich liefert die Leuchtturm-Metapher, bei welcher der Lichtkegel des Leuchtturms immer nur einen kleinen Teilausschnitt der Umwelt ausleuchtet. Der Blick kann an unterschiedlichen Stellen kürzer oder länger verweilen, und dementsprechend erzeugt jede Person individuelle Assoziationen, Bilder und Gedanken.

„Man kann nicht nicht Kommunizieren“ ist ein bekannter Leitsatz des Kommunikationsexperten Paul Watzlawick in der systemischen Psychotherapie.

Der Mensch ist ein soziales Wesen, er bewegt sich in vielen verschiedenen sozialen Beziehungssystemen wie dem Familiensystem, dem Schul- und Ausbildungssystem, der Arbeitswelt, dem Freundeskreis und einem Hobby- oder Sportverein, wo er unterschiedliche Rollen als Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Bruder, Schwester, Schüler, Vorgesetzter, Arbeitnehmer, Freund oder Kollege einnimmt und über verbale und nonverbale Sprache mit anderen Menschen kommuniziert. Befindet sich eine Person in einem oder mehreren Systemen, in denen zwischenmenschliche Beziehungs- oder Kommunikationsmuster als belastend erlebt werden, kann sich dies in körperlichen Symptomen und Verhaltensweisen zeigen, welche die Person selbst oder auch ihre Bezugspersonen als störend empfinden und unter denen sie leiden.

„Man kann nicht nicht Kommunizieren“ ist ein bekannter Leitsatz des Kommunikationsexperten Paul Watzlawick in der systemischen Psychotherapie.

„Man kann nicht nicht Kommunizieren“ ist ein bekannter Leitsatz des Kommunikationsexperten Paul Watzlawick in der systemischen Psychotherapie.

Ein System kann als eine zweckgebundene Einheit beschrieben werden, die aus Elementen besteht. Es ist durch Grenzen gekennzeichnet, hat Mitglieder mit Aufgaben & Rollen, Ziele, Regeln und Rituale die Sicherheit und Orientierung geben. Ein System besteht über einen Zeitraum hinweg kontinuierlich und ist einem Wandel unterzogen, weshalb es sich anpassen kann und manchmal auch muss. Jedes System sollte sowohl innerhalb des Systems zwischen den Elementen als auch nach außen hin klare Beziehungsgrenzen aufweisen. Die Grenzen können anstelle von klar (effizienter Austausch von Gefühlen und Inhalt) auch diffus (intensiver, hauptsächlich non-verbaler Austausch von Emotionalität und Information) oder starr (minimaler Austausch) sein.

bild2In der systemischen Therapie wird von der Theorie der Autopoiesie ausgegangen, die besagt dass lebende Systeme autonom und selbstorganisiert sind und im Austausch mit ihrer Umwelt stehen. Anders als bei anderen Psychotherapierichtungen spielen Vergangenheit und frühe Kindheit für Systemiker keine Hauptrolle. Systemische Therapeuten bleiben im Hier und Jetzt und beziehen den Systemkontext und die Regeln des Systems ein. Sie suchen Antworten auf die Fragestellung welche Rolle diese Systemregeln für die Symptombildung spielen. Dazu werden die Beziehungsmuster untersucht. Was trägt dazu bei das Problem aufrecht zu erhalten bzw. zu lösen? Werden beispielsweise diffuse oder starre Grenzen, eine Tendenz zur Konfliktvermeidung in der Kommunikation, widersprüchliche Botschaften beobachtet? Dies kann Hinweise auf eingeschränkte Veränderungsmöglichkeiten des Systems und der einzelnen Systemmitglieder geben, welche in der Psychotherapie erweitert werden können.

Quelle: Kriz: Systemische Familientherapie